Ein Mekka für Mathematiker – Oberwolfach

Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach

“Tübingen, in der Nähe von Oberwolfach”, was für viele Menschen wie eine absurde Ortsbeschreibung klingt, ist unter Mathematikern absolut verständlich. Denn im beschaulichen Oberwolfach im Schwarzwald befindet sich das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO). Es bietet Platz für Workshops, Sommerschulen und Forschungsaufenthalte und beherbergt eine der größten mathematischen Bibliotheken der Welt, ein Mekka für Mathematiker. Ende März nahmen sechs von uns am Workshop “Geometric Numerical Integration” teil: neben mir die beiden Organisatoren Marlis Hochbruck und Christian Lubich sowie Volker Grimm, Tobias Jahnke und Katharina Schratz.

Geometrische numerische Integration ist ein Teilgebiet der numerischen Mathematik, in dem Verfahren zur Lösung von Differentialgleichungen entwickelt werden, gewisse Erhaltungsgrößen des Systems möglichst gut erhalten. Beispielsweise möchte man die Planetenbewegungen simulieren und gleichzeitig die Energie des Gesamtsystems als Erhaltungsgröße erhalten. Einen gute Einführung und einen Überblick über die Problemstellung bietet das gleichnamige, englische Buch von Ernst Hairer, Christian Lubich und Gerhard Wanner.

Zu diesem Workshop kamen Mathematikerinnen und Mathematiker aus der ganzen Welt nach Oberwolfach, die aktuell auf diesem Gebiet forschen. Da dieser Workshop nach 2006 und 2011 zum dritten Mal stattfand, kam dies einem großen Familientreffen gleich. In den kommenden fünf Tagen sollten aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert, über neue Entwicklungen diskutiert und gemeinsam an Projekten gearbeitet werden. Dazu wurde ganz in der Tradition von Oberwolfach das Programm erst vor Ort von den vier Organisatoren Erwan Faou (Rennes) , Ernst Hairer (Genf), Marlis Hochbruck (Karlsruhe) und Christian Lubich (Tübingen) festgelegt und umfasste 29 Vorträge und 5 Kurzvorträge. Den Anfang machte Arieh Iserles mit einem Märchen über zwei Matrizen.

Photo by M. Hochbruck

Photo by M. Hochbruck

Traditionen werden generell in Oberwolfach hochgehalten. So dürfen am Vormittag und späten Nachmittag einige Teilnehmer der Gruppe einen Einblick in ihre aktuelle Arbeit präsentieren,  nach dem Mittagessen jedoch sollen bis 16:00 Uhr keine Vorträge stattfinden. Das Ziel ist nämlich, dass bei den Workshops in Oberwolfach der Name Programm ist. Die Teilnehmer sollen die Gelegenheit nutzen, um intensiv miteinander zu arbeiten, neue Kooperationen auszuloten, andere Richtungen in der eigenen Forschung zu berücksichtigen und am besten schon die nächste Publikation auf den Weg zu bringen. Dies kann in der Cafeteria, kleinen Arbeitsräumen oder der Bibliothek geschehen. Überall liegen dafür Papier und Stifte bereit, überall gibt es Steckdosen und WLAN und immer gibt es in der Nähe kostenlosen Zugang zu Kaffee, Tee, heißer Schokolade und kalten Getränken. In Oberwolfach weiß man eben, was Mathematiker so brauchen. Braucht man all das nicht, kann man auch prima bei einem Spaziergang im Schwarzwald diskutieren.

ServiettenEine weitere Tradition betrifft die Tischordnung: Bevor man sich zum Essen an einen der 6er Tische setzen kann, muss man zuerst ein wenig auf die Suche gehen. Denn jeder Teilnehmer bekommt eine Serviettentasche mit seinem Namen, die vorher zufällig auf einen der Tische verteilt wurde. So wird die Gruppe ständig untereinander gemischt. Dadurch ergeben sich legendäre Tischgespräche. Gerade für junge Wissenschaftler bietet dies die Möglichkeit die Gemeinschaft schnell kennen zu lernen.

Die Wanderung am Mittwoch nach St. Roman ist eine weitere Tradition. Auch ein leichter Regen konnte uns davon nicht abhalten. Nach einem kurzen steilen Anstieg gelangt man auf einen breiten Weg, der malerisch durch den Wald und an Bauernhöfen vorbei führt. Nach zwei Tagen Vortragsprogramm freut sich jeder auf diese Abwechslung und natürlich auf den krönenden Abschluss der Wanderung – die Schwarzwälder Kirschtorte.  Frisch gestärkt kann man dann den Rückweg antreten.

ProgrammAuch gab es für Doktoranden und Postdocs die Möglichkeit am Donnerstagabend ihre Forschung in einem Kurzvortrag vorzustellen, eine Besonderheit dieses Workshops.  Die Vorgaben waren hier strikt: Lediglich drei Folien waren für die Präsentation zugelassen.  Dies führt bekanntlich immer zu kreativen Lösungen bei den Vortragenden um möglichst viel Informationsgehalt (hoffentlich) möglichst ansprechend auf eine Folie zu verpacken. Yuto Miyatake erzielte großes Gelächter, als er bei der Fragerunde nach seinem Vortrag durch weitere Folien scrollte, um eine passende Grafik zu einer Frage zu präsentieren. Es hatte ja niemand verboten weitere Folien bei Fragen parat zu haben.  Alexander Ostermann gestaltete diese Abendveranstaltung als Vorsitzender unterhaltsam und sehr kurzweilig. Somit war eine gute Grundlage für weitere abendfüllende Gesprächsrunden geschaffen.

Insgeamt wurde in dieser produktiven Woche viel in kleineren Gruppen diskutiert, einige neue Erkenntnisse zu Papier gebracht und auch mehrere Veröffentlichungen an Verlage geschickt. Kurze Zusammenfassungen zu den Vorträgen findet man in den Oberwolfach Reports. Nebenher wurde abends mancherlei Weinvorrat geleert und einige Male klang noch spät in der Nacht Klaviermusik aus dem Musikzimmer.

Photo of the Workshop participants

Photo by Petra Lein, CC BY-SA2.0(DE) (Bildarchiv des MFO)

Auf diesem Weg möchte ich den Organisatoren danken, die vorallem durch Ihre gute Auswahl an Vorträgen den Workshop bereichert haben. Außerdem natürlich allen Mitarbeitern im MFO, die diese Woche für uns so angenehm gestaltet haben. Das MFO ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, hat einen eigenen Förderverein und wird weiterhin von mehreren Organisationen unterstützt.

Fotos (sofern nicht anders angegeben): Simone Buchholz

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