Gründe um Ende Juni 2016 nicht nach Rio de Janeiro zu reisen gab es viele:
- Der berühmte Karneval war dieses Jahr schon lange vorbei und die Olympischen Sommerspiele sollten erst in etwas mehr als einen Monat beginnen.
- In Rio ist im Juni Winter. Dies bemerkt man vor allem am frühen Eindunkeln und den Sonnenuntergängen um circa Viertel nach fünf am Nachmittag.
- Am gewichtigsten aber sicherlich die vielen negativen Nachrichten und Schlagzeilen über das Zika-Virus, Polizistenstreiks, instabile politische Verhätnisse, etc.
Der Grund es dennoch zu tun, war die Anfrage von Stéphane Lanteri (Inria, Sophia Antipolis, Frankreich) und Frédéric Valentin (LNCC, Petropolis Brasilien), ob ich beim Minisymposium über “Hybridized and Multiscale Methods for Waves” im Rahmen der “International Conference on Spectral and High Order Methods”, kurz ICOSAHOM, mitwirken möchte. Da das Minisymposium sich mit meinem Forschungsinteressen deckte, sagte ich zu und hielt einen Vortrag über “Finite Elemente Heterogeneous Multiscale Methods for Electromagnetic Wave Propagation in Oscillatory Media”, welchen ich hier nun kurz zusammenfassen möchte.
Um zu simulieren wie sich eine elektromagnetische Welle ausbreitet, kann man zum Beispiel die Methode der Finiten Elemente (FEM) verwenden. Damit approximiert man die Lösung der entsprechenden Differentialgleichung, die das Verhalten der Welle beschreibt. Ist das Material durch welches sich die Welle ausbreitet jedoch nicht homogen, sondern ändert sich auf einer mikroskopisch kleinen Skala, so tritt eine zusätzliche Schwierigkeit auf. Alle diese mikroskopischen Heterogenitäten im Material müssen durch die Triangulierung, auf welcher die Finite-Elemente-Methode basiert, erfasst werden. (Ein Beispiel für eine Triangulierung sieht man im Logo der ICOSAHOM.)
Aufgrund dieser Heterogenitäten wird auch die Lösung ein mikroskopisches Verhalten aufweisen. Dies ist im nebenstehenden Bild exemplarisch dargestellt. Die lila Linie zeigt das richtige Verhalten der Lösung. Wir sind aber nur an der effektiven Lösung interessiert. Im Bild ist dies die blaue Linie, in welcher das mikroskopische Verhalten rausgemittelt wurde. Zur Berechnung dieser effektiven Lösung wollen wir jedoch nur eine grobe Triangulierung verwenden, damit der Rechenaufwand nicht zu groß wird. Denn es gilt: Je feiner das Gitter, desto größer der Rechenaufwand.
Für Probleme, die sich mathematisch einfacher als die Wellengleichung beschreiben lassen, wurde die sogenannte “Finite Element Heterogeneous Multiscale Method” entwickelt. Damit lässt sich die effektive Lösung (blaue Linie) approximieren, ohne die exakte Lösung (lila Linie) zu kennen. Dafür verwendet man, wie gewünscht, eine grobe Triangulierung. Um den Einfluss des heterogenen Materials zu berücksichtigen löst man zusätzlich kleine Hilfsprobleme an speziell ausgewählten Punkten. Die untenstehende, aus meinem Vortrag übernomme, Abbildung skizziert die Idee des Verfahrens.
Ich zeigte, wie man diese Methode verallgemeinern kann, um damit auch Wellenphänomene simulieren zu können. Ich zeigte auf, mit welchen Mitteln man die aufgrund der komplizierteren mathematischen Beschreibung zusätzlichen Schwierigkeiten lösen kann und erklärte wie man beweisen kann, dass diese Methode wirklich funktioniert. Für Experten seien noch einige Stichwörter angefügt: Erstes Lemma von Strang, T-Koerzivität, “Dual Formula” für den Homogenisierungsoperator und Fehler-Splitting in Makro- und HMM-Fehler.
Zum Schluss meines Berichts noch einige Bemerkungen über die ICOSAHOM: Die Konferenz wurde am 27. Juni durch den sehr guten Plenary Talk von David Kopriva (Florida State, University) über “Spectral Methods that Work” eröffnet. Nicht nur diesen Vortrag, sondern die ganze Konferenz habe ich in guter Erinnerung. Mit ungefähr 160 Teilnehmer und Teilnehmerinnen und maximal fünf parallel stattfindenen Vorträgen war die Größe optimal. Man konnte sich die Vorträge gemäß persönlichen Interessen aussuchen ohne dabei den Überblick zu verlieren. Neben den wissenschaftlichen Vorträgen boten der Willkommensapéro, das Konferenz-Dinner, sowie der Ausflug zum neuen “Museu Amanhã” beim alten Hafen von Rio die Möglichkeit alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Ob daraus eine neue wissenschaftliche Zusammenarbeit entsteht wird sich noch zeigen müssen.
Die am Anfang des Beitrags erwähnten Gründe um keine Reise nach Rio anzutreten bemerkte ich kaum. Dies sicherlich auch, weil ich die meiste Zeit im Konferenzhotel verbrachte, welches sich an der Copacabana in Rios touristischer “Zona Sul” befand. Zudem habe sich durch den Winter, so wurde mir berichtet, die Anzahl der Stechmücken, welche das Zika-Virus übertragen können, merklich verringert. Ich sah auf jeden Fall während meines Aufenthalts nur zwei Moskitos.
Die nächste ICOSAHOM findet in zwei Jahren in London statt. Was für Gründe da gegen eine Teilnahme sprechen können weiß ich nicht, die Konferenz selber ist aber alleine schon Grund genug eine entsprechende Reise in Betracht zu ziehen.